
Vor allem aus Fluorgasen und Pestiziden stammend, dringt Trifluoressigsäure (TFA) – das kleinste der Ewigkeitschemikalien – zunehmend in das Grundwasser, die Böden und die Pflanzen ein. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen dieser weitverbreiteten Kontamination in der Schweiz und ihre Folgen für unser Trinkwasser und unsere Ernährung.
In der Schweiz wurde TFA in 99 % der Grundwasserproben nachgewiesen – ein Hinweis auf eine nahezu flächendeckende Präsenz. Die Belastung des Grundwassers erfolgt über mehrere Wege: direkt aus den Böden, als Metabolite bestimmter Pflanzenschutzmittel aus der PFAS-Familie, sowie indirekt aus der Atmosphäre, wo sich Fluorgase in TFA umwandeln und mit dem Regen zurück auf die Erde gelangen. In einigen Fällen stellen auch behandelte industrielle Abwässer eine nicht zu unterschätzende Quelle dar [1].
Agroscope schätzt, dass die atmosphärischen Einträge von TFA in der Schweiz jährlich 24,5 Tonnen betragen, die grösstenteils aus dem Abbau fluorierter Kältemittel stammen [2]. Diese werden unter anderem als Kühlmittel eingesetzt und verwandeln sich in der Luft zu TFA, das über weite Distanzen transportiert werden und sich weltweit ausbreiten kann.
Das maximale Potenzial zur Bildung von TFA aus in der Schweiz verkauften Wirkstoffen von Pflanzenschutzmitteln liegt laut derselben Agroscope-Studie bei durchschnittlich 11,5 Tonnen TFA pro Jahr [2]. Das Problem dabei: Diese 11,5 Tonnen werden auf nur rund 400'000 Hektar Offenland (plus Rebland) ausgebracht – hauptsächlich auf dem Schweizer Mittelland. Zum Vergleich: Die 24,5 Tonnen aus atmosphärischen Einträgen verteilen sich über die gesamte Fläche der Schweiz, also 1,4 Millionen Hektar, einschliesslich der Alpen.
Hinzu kommt, dass Wasserfassungen unter landwirtschaftlich genutzten Flächen am stärksten von TFA betroffen sind. Dies zeigt deutlich den Einfluss von Pflanzenschutzmitteln, die PFAS enthalten [3,4,5]. Diese Belastung wirkt sich direkt auf die Nahrungskette aus: Unser Trinkwasser und ein grosser Teil unserer Lebensmittel stammen aus diesen Gebieten und setzen die Bevölkerung dadurch in erheblichem Mass diesem Schadstoff aus. (weitere Informationen zur Anreicherung von TFA in Böden und Lebensmitteln).

Industrielle Aktivitäten sind eine wichtige Quelle für die Kontamination der Umwelt mit TFA [6,7] . Dazu gehören die Herstellung von Arzneimitteln, Löschmitteln, fluorierten Gasen (F-Gasen) und Fluorpolymeren. Unter diesen sind fluorierte Gase am bedenklichsten, da sie gasförmige Vorläuferstoffe von TFA erzeugen, die in den letzten 30 Jahren zu einem starken Anstieg der TFA-Konzentrationen in der Atmosphäre geführt haben [8] .
Fluorierte Gase, auch F-Gase genannt, sind vom Menschen hergestellte synthetische Gase und gehören zur großen Familie der PFAS. Sie werden in vielen Alltagsprodukten verwendet, beispielsweise in Kühlschränken, Klimaanlagen, Wärmepumpen, Isolierschäumen oder Aerosolen. Sie werden auch in bestimmten industriellen Prozessen eingesetzt, insbesondere bei der Herstellung von Metallen und Halbleitern. Diese Gase entweichen in verschiedenen Phasen: bei ihrer Herstellung, ihrer Verwendung und sogar bei ihrer Entsorgung. Sobald sie in die Luft gelangen, verwandeln sich einige dieser Gase in TFA und können immense Entfernungen zurücklegen, bis sie die entlegensten Regionen der Erde erreichen und durch Regen wieder auf den Boden und in Gewässer gelangen [9].
HFO-1234yf, ein fluoriertes Gas, das in Klimaanlagen von Autos sowie zur Kühlung der Batterien von Elektrofahrzeugen eingesetzt wird, gilt heute als eine der Hauptquellen für die hohen TFA-Konzentrationen, die im Regen gemessen werden. Noch wird HFO-1234yf vor allem in neuen Fahrzeugen der EU verwendet, doch sein Einsatz dürfte weiter zunehmen, da dieser Ersatz weltweit immer stärker eingeführt wird – er ersetzt ältere Generationen von Kühlmitteln aufgrund ihres sehr hohen Treibhauspotenzials. Dies könnte in den kommenden Jahren zu einem zusätzlichen Anstieg des atmosphärischen TFA führen.
Die Automobilindustrie trägt in dieser Entwicklung eine erhebliche Verantwortung. Es ist dringend notwendig, dieses Wachstum zu bremsen, indem PFAS-Beschränkungen eingeführt und der Übergang zu bereits verfügbaren nachhaltigen Alternativen wie natürlichen Kältemitteln beschleunigt wird [9].

Tests bestätigen, dass sich alle Pestizide, die eine C-CF₃-Gruppe enthalten, im Boden in TFA umwandeln können – mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten, abhängig von der Substanz und der Bodenart [9,10]. Derzeit enthalten 26 in der Schweiz zugelassene Wirkstoffe von Pestiziden eine CF₃-Gruppe in ihrer chemischen Struktur, die sich in TFA umwandeln kann. Im Jahr 2023 wurden über 30 Tonnen dieser Substanzen ausgebracht. Zwei von ihnen dominieren: Flufenacet und Fluazinam, jeweils mit etwa 10 Tonnen pro Jahr [4].
In Europa verzeichnete Flufenacet ebenfalls die höchsten Verkaufsmengen und das stärkste Wachstum mit einem Umsatzanstieg von 85 % zwischen 2008 und 2023. Nach einem langen Neubewertungsprozess wurde Flufenacet im Frühjahr 2025 von der EU nicht erneut zugelassen, und die Schweiz schloss sich im selben Jahr dieser Entscheidung an. Obwohl dieser Stoff bereits 2004 als „Substitutionskandidat” eingestuft wurde, was eine Neubewertung alle sieben Jahre erfordert, dauerte es 22 Jahre, bis tatsächlich eine Überprüfung durchgeführt wurde [12]. Und doch ist Flufenacet nicht der einzige Fall: Andere Substanzen wie Diflufenican, Fluazinam oder Fluopyram können ebenfalls TFA freisetzen und sind dennoch weiterhin zugelassen [12].

Die verfügbaren Daten zeigen deutlich, dass Pflanzenschutzmittel in hohem Maße für die hohen TFA-Konzentrationen in Wasser und Nahrung verantwortlich sind [13,14]. Dies lässt sich sowohl durch das starke Anreicherungspotenzial von TFA in Böden, Wasser und Pflanzen erklären (siehe Serie 1) als auch durch die Tatsache, dass die höchsten Konzentrationen in intensiv landwirtschaftlich genutzten Regionen vorkommen – aus diesen Gebieten stammen ein grosser Teil unserer Lebensmittel und dort befinden sich zahlreiche Trinkwasserfassungen. Dieses Phänomen ist in Deutschland gut dokumentiert: In den landwirtschaftlich genutzten Gebieten, die etwa die Hälfte der Landesfläche ausmachen, sind die in Grundwasserfassungen gemessenen TFA-Werte deutlich höher als anderswo [13].
Dasselbe lässt sich in der Schweiz beobachten: Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) registrierte die höchsten TFA-Konzentrationen in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft. Während in alpinen Regionen oberhalb von 1'000 Metern die Konzentrationen unter 0,6 µg/l liegen, steigen sie in den landwirtschaftlich genutzten Regionen auf Werte zwischen 1 und 5 µg/l [4].
Schliesslich enthält konventionell erzeugte Nahrung zwei- bis dreimal mehr TFA als Bioprodukte. Dies lässt sich nur durch den Einsatz fluorierter Pestizide erklären, da atmosphärische Einträge Bio- und konventionelle Landwirtschaft in ähnlichem Ausmass betreffen. Während fluorierte Gase also die allgemeine Verbreitung erklären, sind Pestizide für die besorgniserregendsten Belastungen verantwortlich – jene, die direkt das Trinkwasser und die Nahrungskette betreffen [15,16].(siehe Serie 1)
Dieser Artikel ist Teil einer Serie über PFAS, insbesondere über TFA. In den nächsten Beiträgen werden wir seine Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt sowie die derzeitigen politischen Antworten beleuchten, die oft als unzureichend gelten, um seine Anreicherung in der Natur und in der Nahrungskette zu bremsen.
Diese Artikel sind nicht nur Warnungen: Sie spiegeln auch einen Aufwand an Aufklärung und Informationsvermittlung wider, der es jedem ermöglicht, technische Zusammenhänge zu verstehen und informiert zu handeln.
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[1] PFAS: Vorkommen, Risiken und Handlungsansätze. Swiss Academies Factsheets, Band 20, Nr. 4. Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT). DOI: 10.5281/zenodo.16958276. https://scnat.ch/fr/uuid/i/9cec258e-6caa-524e-a7dd-bb0a9821c80f-PFAS%C2%A0_présence_risques_et_pistes_d'action
[3] BAFU (2024) PFAS. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/thema-wasser/grundwasser/grundwasser-qualitaet/pfas-im-grundwasser.html
[4] BAFU (2024) TFA. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/thema-wasser/grundwasser/grundwasser-qualitaet/tfa-im-grundwasser.html
[6] F. Freeling und M. K. Björnsdotter, „Assessing the environmental occurrence of the anthropogenic contaminant trifluoroacetic acid (TFA)“ (Bewertung des Vorkommens des anthropogenen Schadstoffs Trifluoressigsäure (TFA) in der Umwelt), 1. Juni 2023, Elsevier B.V. doi: 10.1016/j.cogsc.2023.100807
[7] H. P. H. Arp, A. Gredelj, J. Glüge, M. Scheringer und I. T. Cousins, „The Global Threat from the Irreversible Accumulation of Trifluoroacetic Acid (TFA)“ (Die globale Bedrohung durch die irreversible Anreicherung von Trifluoressigsäure (TFA)), Environ Sci Technol
[8] R. Holland et al., „Untersuchung der Produktion von Trifluoressigsäure aus zwei Halogenkohlenwasserstoffen, HFC-134a und HFO-1234yf, und deren Verbleib unter Verwendung eines globalen dreidimensionalen chemischen Transportmodells“, ACS Earth Space Chem, Band 5, Nr. 4, 2021, doi: 10.1021/acsearthspacechem.0c00355.
[9] https://chemtrust.org/wp-content/uploads/FAQ-Green-Transition-2024_January_2025.pdf
[11] Anders R. Johnsen, Trine Henriksen und Christian N. Albers (2024): TriFluPest – Trifluoressigsäure (TFA) aus Pestiziden. Bekæmpelsesmiddelforskning Nr. 230, ISBN: 978-87-7038-688-3, herausgegeben vom Umweltamt
[12] https://www.umweltbundesamt.de/pfas-haltige-pestizide-in-der-landwirtschaft
[15] EURL, Europäische Referenzlaboratorien für Pestizidrückstände, 2017. Rückstände von DFA und TFA in Proben pflanzlichen Ursprungs. URL https://www.eurl-pesticides.eu/userfiles/file/eurlsrm/eurlsrm_residue-observation_tfa-dfa.pdf