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Bestäuber - winzige Helden in Gefahr

Solène Schaub
Von
Solène Schaub
am
10/2/24
In Kürze

Kleine Tiere mit grossem Wert für die Gesellschaft - es ist längst keine Neuigkeit mehr, dass die Bestäubung durch Bienen und Co. wertvoll ist. Im Hinblick auf die Biodiversitätsinitiative, die im Herbst 2024 zur Volksabstimmung kommt, werfen wir hier einen genaueren Blick auf die Bestäubungsleistung dieser Insekten und zeigen auf, was dabei auf dem Spiel steht.

Weltweit wie auch in der Schweiz - vor allem im Vergleich zu den Nachbarländern - geht die Biodiversität zurück und mit ihr ein lebenswichtiger Pfeiler unserer Existenz [1]. Dieser Rückgang der ökologischen Vielfalt betrifft auch die bestäubenden Insekten. Dabei sind diese Tiere für das Überleben vieler anderer Lebewesen, einschließlich des Menschen, von entscheidender Bedeutung. Durch die Bestäubung, die sie täglich durchführen, erbringen sie eine wesentliche ökologische Leistung. Aber was ist Bestäubung?

Wie funktioniert die Bestäubung?

Bestäubung bezeichnet den Transport von Pollen (männliches Fortpflanzungsorgan der Blütenpflanzen) zur Narbe (Rezeptor des weiblichen Fortpflanzungsorgans). Nur wenn ein Pollenkorn der entsprechenden Pflanzenart auf der Narbe abgelegt wird, kann sich im Eierstock eine Frucht entwickeln. Dieser Prozess ermöglicht es den Blütenpflanzen, sich sexuell zu vermehren. Dabei entstehen bei den Nachkommen neue Genkombinationen - wie bei uns Menschen. Einige Pflanzen lassen ihren Pollen vom Wind transportieren, aber die meisten Blütenpflanzen sind so konstruiert, dass der Pollen von Insekten von Blüte zu Blüte getragen wird. Die Insekten ihrerseits sind eigentlich auf der Suche nach Nektar oder Pollen und tragen den gesammelten Pollen im Vorbeigehen auf neue Blüten auf. [2]

Welche Insekten bestäuben

Zu den bestäubenden Insekten gehören Bienen (Wild- und Honigbienen), Tag- und Nachtfalter, Wespen, Fliegen (vor allem Schwebfliegen), Käfer und Ameisen. Die Bienen - zu denen übrigens auch die Hummeln gehören - spielen hierbei die Hauptrolle. Im Gegensatz zu anderen bestäubenden Insekten ernähren sie nicht nur sich selbst von Nektar und Pollen, sondern auch ihre Nachkommen. Daher besuchen sie eine größere Anzahl von Blüten und haben sehr effektive Sammelstrategien entwickelt. [3]

Weibliche Sandbiene (Andrena humilis), beladen mit Pollen. Bild: Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs

Honigbienen vs. Wildbienen

Honigbienen und Wildbienen sind daher die wichtigsten Insekten unter den Bestäubern. Was diese beiden Bienenarten voneinander unterscheidet, ist ihr Verhalten. Im Gegensatz zur Honigbiene leben praktisch alle Wildbienen, mit Ausnahme von Hummeln und Bienen der Gattung Lasioglossum, als Einzelgänger und bilden keine Kolonien. Mehr als ein Drittel der Schweizer Wildbienenarten sind auf bestimmte Pflanzenarten oder -gattungen spezialisiert und daher für deren Fortpflanzung unverzichtbar. Umgekehrt können diese Wildbienen nur dort vorkommen, wo es genügend Blüten dieser Pflanzenarten gibt, da ihr Flugradius in der Regel nur einige hundert Meter (bei Hummeln bis zu 1,75 km) beträgt[4]. Honigbienen sind bei der Auswahl der Blüten weniger wählerisch (Fachbegriff: oligolektisch), dafür sind sie aber nicht in der Lage, spezialisierte Pflanzen zu bestäuben. Honig- und Wildbienen unterscheiden sich auch in ihrer Aktivitätszeit: Viele Wildbienenarten (insbesondere Hummeln) sammeln auch bei Temperaturen und Wetterbedingungen, bei denen die Honigbienen nicht mehr fliegen, weiterhin Blüten von Kulturpflanzen [5]. Die Arten ergänzen sich also gegenseitig, weshalb die Kombination verschiedener Bestäuber für eine erfolgreiche und produktive Bestäubung förderlich ist. Generell lässt sich jedoch sagen, dass der Bestäubungsdienst der Wildbienen für die Pflanzenvielfalt und die Sicherung der Ernte von entscheidender Bedeutung ist, da sie die Kulturpflanzen effektiver bestäuben als Honigbienen.[6].

Ohne Bestäuber keine Ernte

Ohne bestäubende Insekten würden viele unserer Nutz- und Wildpflanzen nicht existieren. Sie garantieren die Reifung der Kulturpflanzen und die sexuelle Fortpflanzung der Pflanzen. Mehr als 85% aller Blütenpflanzen weltweit profitieren von der Bestäubung, und bei der Hälfte dieser Pflanzen wäre die Samenproduktion ohne Bestäuber schlichtweg unmöglich [3]. In der Schweiz entsprechen die von Insekten bestäubten Kulturen einer Fläche von schätzungsweise 40.000 bis 50.000 ha und können wie folgt kategorisiert werden [7]:

  • Feldfrüchte (Raps, Sonnenblumen, Ackerbohnen, Soja)
  • Kernobst (Apfel, Birne)
  • Steinobst (Kirsche, Pflaume, Aprikose)
  • Beeren (Erdbeere, Himbeere, Blaubeere usw.)
  • Gemüse (Tomate, Gurke, Kürbis usw.)
  • Saatgut für Futterpflanzen (Klee, Luzerne usw.)

Für das Jahr 2014 wurde der jährliche Produktionswert in der Schweiz, der sich aus der Bestäubung ergibt, auf 341 Millionen Schweizer Franken geschätzt [7], was mehr als dem Vierfachen des Wertes aller Bienenprodukte entspricht. Es ist jedoch zu beachten, dass diese Zahl eine Schätzung mit einigen unbekannten Faktoren ist und eher als Richtwert betrachtet werden sollte (in Wirklichkeit ist die Zahl wahrscheinlich höher). Darüber hinaus wird der "Biodiversitätswert" aus der Bestäubung von Wildpflanzen nicht berücksichtigt. Studien von Agroscope [7] haben zum Beispiel ein nicht ausgeschöpftes Ertragspotenzial bei Obstbäumen aufgezeigt, das durch eine bessere Bestäubung aufgewertet werden könnte. Eine andere Studie berechnete, dass die durchschnittlichen Erntekosten weltweit um 187% steigen würden, wenn es keine Bestäuber mehr gäbe[8].

Ohne Bestäuber keine Vielfalt

Bestäuber sind nicht nur aus Sicht der Agrarwirtschaft und der Nahrungsmittelsicherheit von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die Stabilität der terrestrischen Ökosysteme [9]. Durch das Sammeln von Blüten tragen diese Insekten zum Erhalt von Wildpflanzen bei. Wildpflanzen sind selbst ein wichtiges Glied im Nahrungsnetz, da viele andere Lebewesen (z. B. herbivore Tiere, d. h. Tiere, die sich ausschließlich von Pflanzen ernähren) von ihrer Existenz abhängen. In diesem Zusammenhang bedeutet die Bestäubung durch Insekten nicht nur, dass sich die Pflanzen fortpflanzen können, sondern stellt auch einen Vorteil für die Pflanzen hinsichtlich ihrer Fortpflanzungsstrategie dar. Einige Pflanzen können sich nämlich auch vegetativ fortpflanzen (Fortpflanzung durch bestimmte Teile der Pflanze, wodurch Individuen entstehen, die genetisch mit der Mutterpflanze identisch sind) oder sich selbst befruchten. Die Selbstbefruchtung ist zwar eine sexuelle Fortpflanzung, aber die Nachkommen bleiben genetisch sehr eng mit der Mutterpflanze verwandt. Bei der sexuellen Fortpflanzung mit zwei verschiedenen Individuen werden neue Genkombinationen erzeugt. Dies hat viele Vorteile, denn ein großer Genpool (die Summe aller genetischen Variationen einer Art) macht die Art widerstandsfähiger gegen Störungen und weniger anfällig für Krankheiten. Eine französische Studie [10] fand kürzlich heraus, dass der Rückgang der bestäubenden Insekten zu einer Zunahme der Selbstbefruchtung der Pflanzen geführt hat. Dies kann wiederum den Rückgang der Bestäuber beschleunigen. Eine beängstigende Schleife, die - aufgrund des Mangels an genetischer Vielfalt - zu einer weiteren Destabilisierung unserer Ökosysteme führen kann.

Zusätzlich: Die Honigbiene

Die Honigbiene als eine vom Menschen gezüchtete Art ist davon nicht bedroht. Zwar leidet sie unter dem Befall durch die Varroa-Milbe(Varroa destructor),[14] aber der Mensch kann sie beliebig vermehren und bei Nahrungsmangel mit Zucker füttern. Da die Honigbiene, die Kolonien bildet und vom Menschen gezüchtet wird, hohe Populationsdichten erreicht und die gleichen Nahrungsressourcen nutzt, stellt sie eine direkte Konkurrenz für Wildbienen dar. Sowohl in städtischen als auch in natürlichen Gebieten wurde ein Rückgang des Blütensammelns durch Wildbienen aufgrund der Anwesenheit[15] von Honigbienen[16 ] festgestellt. Es sind also vor allem die Wildbienen, die durch verschiedene Stressfaktoren unter Druck gesetzt werden.

Die Rolle von "Umweltgiften"

Die Bedrohung von Wildbienen durch Schadstoffe hat zwei Seiten. Beide Effekte sind das Ergebnis der intensiven Landwirtschaft :

  • Nahrungsmangel: Die jahrzehntelange Überdüngung der Wiesen und Felder mit Kunstdünger, Mist und Gülle hat zu einem enormen Rückgang der Anzahl und Vielfalt der Blütenpflanzen geführt. Fromentalwiesen zum Beispiel sind zwischen 1950 und 1970 praktisch verschwunden, und 90% der verbliebenen Wiesen sind botanisch stark verarmt. Kein anderer Lebensraum in der Schweiz hat einen so dramatischen Rückgang erlebt.[17] Düngemittel sind zwar für den Menschen wenig giftig, aber für bestäubende Insekten ein gefürchtetes Umweltgift.
  • Direkte Schäden: Viele Pflanzenschutzmittel, nicht nur Insektizide, sondern auch Herbizide und Fungizide, vergiften nicht nur die "schädlichen" Insekten, sondern auch die Bestäuber. In einigen Fällen können sie sogar genetische Veränderungen bei Insekten hervorrufen.[18] Wieder andere führen zu Orientierungsproblemen und Verhaltensänderungen (z. B. Neonicotinoide). [19]

Angesichts der zahlreichen Dienstleistungen, die bestäubende Insekten für Menschen und Ökosysteme erbringen, und der unverzichtbaren Rolle, die Wildbienen spielen, ist ihr Rückgang eine mehr als tragische Realität. Umso wichtiger ist es, die noch vorhandenen Populationen zu erhalten und Maßnahmen zu ergreifen, die es den bestäubenden Insekten ermöglichen, sich zu vermehren.

Wie man Bestäuber fördert

Maßnahmen zur Erhaltung von Wildbienen haben sich in der Vergangenheit bereits bewährt. Jetzt geht es darum, diesen Weg weiter zu beschreiten, indem man sie verfeinert und in großem Maßstab anwendet. Dazu gehören Maßnahmen wie: Förderung einer anhaltenden Blumenvielfalt; Schaffung von Nistplätzen; Verringerung des Einsatzes von Pestiziden. Am wichtigsten ist es, die verschiedenen Maßnahmen zu kombinieren. Eine Intensivierung der Blumendecke bei gleichzeitig hohem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kann beispielsweise gegenteilige Effekte haben (siehe das Beispiel Blühstreifen, Abb. 1).

Und was können Sie tun?

  • Machen Sie in diesem Frühjahr Ihren Garten oder Balkon zu einem freundlicheren Ort für Wildbienen. Das ist ganz einfach! Sie brauchen nur ein paar Wildpflanzen. Sie ernähren nicht nur die Insekten, sondern sehen auch gut aus und sind leicht zu pflegen. Die passenden Pflanzenarten können Sie mithilfe dieser Online-Tools finden:
    - https://www.bee-finder.ch/de/ (Wildbienen und Pflanzen je nach Standort)
    - https://futureplanter.ch/ (Wildsträucher-Sets je nach Region)
  • Vermeiden Sie die Zucht von Honigbienen, um den Konkurrenzdruck auf Wildbienen nicht zu erhöhen. Schaffen Sie stattdessen Nistplätze und eine angemessene Blütenvielfalt für bedrohte Wildbienen.
  • Verwenden Sie in Ihrem Garten oder auf Ihrer Terrasse am besten biologische Pflanzenschutzmittel, aber keine Pyrethroide (diese kommen zwar in der Natur vor, töten aber schon in sehr geringen Mengen Insekten).
  • Essen Sie möglichst Lebensmittel aus biologischem Anbau.
  • Unterstützen Sie politische Vorschläge, die Bestäuber in landwirtschaftlichen Gebieten fördern (z. B. die Initiative für Biodiversität).
  • Verbreiten Sie diesen Artikel und sensibilisieren Sie Ihre Freunde und Verwandten.

[Originalquelle: Ohnegift.ch].

Unser Dank gilt dem Team von ohnegift, das uns freundlicherweise die Erlaubnis erteilt hat, ihren Artikel zu publizieren.

Quellen

[1] https://www.biodiversitaetsinitiative.ch/biodiversitatskrise/

[2] Pickhardt & Fluri (2000): Die Bestäubung der Blütenpflanzen durch Bienen Biologie, Ökologie, Ökonomie

[3] Bienenfachstelle Kanton Zürich (2024): Bedeutung für Mensch und Umwelt

[4] BAFU (2022): Wild und wertvoll und Flugradius Hummeln: https: //www.wildbienen.de/wbs-dist.htm

[5] Tuell & Isaac (2010): Weather During Bloom Affects Pollination and Yield of Highbush Blueberry

[6] Garibaldi et al (2013): Wild pollinators enhance fruit set of crops regardless of honey bee abundance

[7] Sutter et al (2021): Bestäubung von Kulturpflanzen durch Wild- und Honigbienen in der Schweiz: Bedeutung, Potential für Ertragssteigerungen und Fördermassnahmen.

[8] Uwingabire & Gallai (2024): Impacts of degraded pollination ecosystem services on global food security and nutrition.

[9] Guntern et al. (2014): Bienen und andere Bestäuber. Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT)

[10] Acoca-Pidolle et al (2023): Ongoing convergent evolution of a selfing syndrome threatens plant-pollinator interactions

[11] Vgl. Zum Stand der Roten Listen des BAFU

[12] Bienenfachstelle Kanton Zürich (2023): Gefährdungslage

[13] Goulson et al. (2015): Bee declines driven by combined stress from parasites, pesticides, and lack of flowers (Bienenschwund durch kombinierten Stress durch Schädlinge, Pestizide und fehlende Blüten)

[14] Genersch (2010): Honigbienenpathologie: Aktuelle Bedrohungen für Honigbienen und Imkerei.

[15] MacInns et al (2023): Decline in wild bee species richness associated with honey bee (Apis mellifera L.) abundance in an urban ecosystem.

[16] Torné-Noguera et al (2016): Collateral effects of beekeeping: Impacts on pollen-nectar resources and wild bee communities.

[17] Bosshard (2016): Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas, S. 17

[18] Belsky & Joshi (2020): Effects of fungicide and herbicide chemical exposure on Apis and non-Apis bees in agricultural landscape.

[19] Chandler et al (2020): Exposure of the common eastern bumble bee, Bombus impatiens (cressresson), to sub-lethal doses of acetamiprid and propiconazole in wild blueberry.

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