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Cypermethrin - die Schweizer Ausnahme: Ausbringung während der Blütezeit

Georg Odermatt
Von
Georg Odermatt
am
29/4/24
In Kürze

Cypermethrin ist nachweislich giftig für Nicht-Ziel-Insektenarten und darüber hinaus schädlich für die menschliche Gesundheit. In der EU darf Cypermethrin während der Blütezeit nicht angewendet werden. In der Schweiz ist dies weiterhin erlaubt und schlimmer noch, die Totalrevision der PSMV (Pflanzenschutzmittelverordnung) sieht vor, dass diese Ausnahme beibehalten wird. Wir fordern, dass auch in unserem Land die Anwendung dieses Insektizids während der Blütezeit verboten wird, um zu verhindern, dass bestäubende Insekten noch mehr Schaden nehmen.

Drastischer Rückgang von bestäubenden Insekten

In den letzten Jahrzehnten wurde ein starker Rückgang der bestäubenden Insekten festgestellt, so dass man von einer "Bestäubungskrise" spricht (siehe vorheriger Artikel). Neben dem Verlust von Lebensräumen ist der Hauptgrund dafür die Gefährlichkeit von Umwelt-"Giften". Diese Entwicklung ist erschreckend, da bestäubende Insekten eine wichtige Leistung für die Landwirtschaft erbringen, indem sie hohe Erträge bei vielen Kulturen erst möglich machen. Gerade während der Blütezeit ist die Aktivität der bestäubenden Insekten hoch, z. B. in Obstplantagen und auf artenreichen Wiesen. Cypermethrin ist eines dieser Umweltgifte.

Wirkungen und Toxizität von Cypermethrin

Cypermethrin ist ein Insektizid, das zur chemischen Familie der synthetischen Pyrethroide gehört. Es wirkt auf das Nervensystem von Organismen. [ 1] Cypermethrin wird im Gemüseanbau z.B. gegen Blattläuse und Raupen (Zielarten) eingesetzt. Der Stoff ist aber auch hochgiftig für Nicht-Zielarten, d.h. für nützliche Insekten (einschließlich Bienen und Wassertiere). [2],[3]

Schädliche Auswirkungen auf Wasserorganismen wurden bereits bei Konzentrationen von 0,0013 μg/l beobachtet (dies entspricht etwa 100 Stück Würfelzucker des Wirkstoffs, die im gesamten Zugersee gelöst und gleichmäßig vermischt sind). [4] Die EU hat für Wasserkörper eine Höchstkonzentration von 0,0038 µg/l festgelegt. In der Schweizer GSchV sind die Grenzwerte für akute Verschmutzung auf 0,00044 Mikrogramm/l und für chronische Verschmutzung auf 0,00003 Mikrogramm/l festgelegt. Das Schweizer Oekotoxzentrum hat bereits 2017 vorgeschlagen, den chronischen Grenzwert auf 0,00003 μg/l als (chronisches Qualitätskriterium; siehe unten) festzulegen[5]. Dieser Grenzwert ist 100-mal niedriger als der EU-Grenzwert, und keiner der beiden Grenzwerte gilt in der Schweiz.

Cypermethrin werden auch Eigenschaften als endokriner Disruptor (schädlich für das Hormonsystem) beim Menschen zugeschrieben. [6],[7]

Qualitätskriterium in Bezug auf chronische Verschmutzung, was bedeutet das?

Hierbei handelt es sich um einen Wert, der für die Überwachung der Wasserqualität festgelegt wurde. So können Verschmutzungen über einen längeren Zeitraum bewertet werden und Organismen vor den Folgen lang anhaltender Verschmutzungen geschützt werden.

Cypermethrin in der Schweiz

In der Schweiz wird Cypermethrin hauptsächlich als Insektizid im Gemüsebau eingesetzt. [ 8] 14 Produkte, die diesen Wirkstoff enthalten, sind derzeit zugelassen. Im Jahr 2023 betrug die Verkaufsmenge etwa 500 kg. Dies mag auf den ersten Blick wenig erscheinen. Bedenkt man jedoch die verschwindend geringen Konzentrationen, in denen der Stoff wirkt, kann diese Menge das Wasserleben in Tausenden von Kilometern Bächen auslöschen.

Die Bestimmungen für die Verwendung von Cypermethrin in der Schweiz unterscheiden sich von den Sonderbestimmungen der EU. Die EU verbietet den Einsatz von Cypermethrin, wenn sich die zu behandelnden Kulturen oder ihre Begleitflora (sog. Unkräuter) in der Blütezeit befinden. Denn wenn das Spritzen während der Vollblüte erfolgt, trifft es direkt die bestäubenden Insekten, die Nektar saugen und Pollen sammeln. Von Vollblüte spricht man, wenn mehr als die Hälfte der Blüten an der beobachteten Pflanze geöffnet sind[9].

In der Schweiz kann Cypermethrin sogar während der vollen Blütezeit angewendet werden. Dies gefährdet alle Insekten, die diese Blüten besuchen. Betroffen sind unter anderem Schmetterlinge, Motten, Käfer, Wildbienen und Hummeln. Diese Schweizer Ausnahme ist daher äußerst schädlich für nützliche Arthropoden im Allgemeinen und für bestäubende Insekten im Besonderen.

Cypermethrin - eine gefährliche Substanz

Der Bund selbst weiß, dass Cypermethrin hochgiftig ist.

Quelle: Index für Pflanzenschutzmittel

Rückstände von Cypermethrin in Biotopen von nationaler Bedeutung

Laut einer Studie von Hintermann & Weber (2021) sind selbst Biotope von nationaler Bedeutung mit zahlreichen Pestiziden - darunter Cypermethrin - belastet. Die Studie umfasste neun Amphibienlaichgebiete und drei Flachmoore in den Kantonen Zürich, Basel-Landschaft, Thurgau, Aargau und St. Gallen. Die Qualitätskriterien der Gewässerschutzverordnung (GSchV) für die chronische Belastung mit Cypermethrin wurden dabei um das 25-fache (!) überschritten.

Totalrevision der PPV: Eine verpasste Chance

Der Bund weiß, dass Cypermethrin gefährlich ist. Deshalb gibt es Auflagen für die Verwendung. Zum Beispiel muss eine Pufferzone von 100 m zu Oberflächengewässern eingehalten werden. Es ist natürlich fraglich, ob dies ausreichend ist. Etwa ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Schweiz wird drainiert.[10] Es ist also wahrscheinlich, dass die Substanz letztendlich in unser Oberflächenwasser gelangt. Darüber hinaus kann der Abstand von 100 m stark reduziert werden, wenn Maßnahmen zur Verringerung der Abdrift eingesetzt werden, wie z. B. spezielle Sprühdüsen oder ein geringerer Abstand zwischen den Düsen und den Pflanzen. Hierbei handelt es sich jedoch um Maßnahmen, die von den Kantonen nur schwer oder gar nicht kontrolliert werden können.

In der Vergangenheit wurden im Parlament bereits mehrere Vorstösse zu diesem Thema eingereicht. Isabelle Pasquier-Eichenberger (Grüne) fragte in einer Interpellation im Jahr 2020, wann Stoffe wie Pyrethroide (zu denen Cypermethrin gehört) in der Schweiz verboten werden. Der Bundesrat gab damals keine definitive Antwort, bestätigte aber, dass die Zulassung von sieben Pyrethroiden derzeit überprüft wird. Ende 2023 fragte Nik Gugger (EVP) in einer Fragestunde, was der Bundesrat plane, um Schweizer Schutzgebiete vor Pestiziden wie Cypermethrin zu schützen (basierend auf der oben erwähnten Studie). Die wenig zufriedenstellende Antwort lautete, dass die Analysen der Studie im Jahr 2021 stattgefunden hätten und dass seither (insbesondere mit der Revision der Direktzahlungsverordnung im Jahr 2023) wichtige Punkte des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel umgesetzt worden seien.

Der Verein ohneGift kritisiert, dass das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nun im Entwurf der neuen Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) vorschlägt, die Schweizer Ausnahme, dieses Pestizid während der Blütezeit spritzen zu dürfen, beizubehalten. Cypermethrin muss aus dem Anhang 4.2 der LSV gestrichen werden, die Schweiz darf keine Ausnahme bezüglich der Sonderbestimmungen der EU auf Kosten der Natur machen.

[Originalquelle: Ohnegift.ch].

Unser Dank gilt dem Team von ohnegift, das uns freundlicherweise die Erlaubnis erteilt hat, ihren Artikel zu publizieren.

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