Nach 30 Jahren ist dieses Jahr die aktualisierte Ausgabe der Roten Liste der Bienen erschienen. Sie zeigt den Gefährdungsstatus der Bienenarten in der Schweiz. Die Ergebnisse sind ernüchternd und fordern zum Handeln auf: Fast die Hälfte der Bienenarten in der Schweiz steht auf der Roten Liste und 10 Prozent sind bereits verschwunden. Die Ursachen sind bekannt: Mangel an Nahrung und Nistmöglichkeiten, Einsatz von Pestiziden, Konkurrenz durch Honigbienen und Klimaerwärmung. Die Politik muss die Warnzeichen der Roten Liste erkennen und so schnell wie möglich geeignete Maßnahmen zur Förderung von Wildbienen einführen.
Die neue Rote Liste der Bienen [1] für die Schweiz wurde kürzlich mit einem Stand im Jahr 2022 veröffentlicht. Sie ersetzt die veraltete Version von 1994 und gibt einen aktuellen Überblick über den Gefährdungszustand der Bienen in der Schweiz. Honigbienen wurden in dieser Liste nicht bewertet, da die wenigen freilebenden Honigbienenkolonien hauptsächlich von den aus der Imkerei stammenden Völkern und nicht von Umweltfaktoren beeinflusst werden.
Zunächst einmal muss klargestellt werden, dass die neue Rote Liste nicht mit der von 1994 verglichen werden kann. Damals wurden andere Methoden angewandt und es gab viel weniger Daten. Daher können wir die damalige Situation nicht mit der heutigen vergleichen. Die neue Liste sollte vielmehr als ein vollständigeres Bild des Zustands der Wildbienen in der Schweiz betrachtet werden.
Rote Listen beurteilen die Aussterbewahrscheinlichkeit von Organismen und die Gefährdung von Lebensräumen. Somit dienen sie als eine Art Warnsystem für den Erhalt der Biodiversität. Solche Listen beziehen sich jeweils auf ein bestimmtes geografisches Gebiet, deswegen gibt es verschiedene Listen von verschiedenen Ländern oder Regionen. In der Schweiz existieren Rote Listen für 28 Organismengruppen[2]. Somit sind einige, aber längst nicht alle Organismengruppen durch eine Beurteilung abgedeckt. Die Beurteilung der Gefährdung einer Art basiert dabei auf Kriterien, die von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) definiert wurden. Jede untersuchte Art wird einem der folgenden Kategorien (gemäss IUCN) zugeordnet:
RE* - regionally extinct / regional (zB. in der Schweiz) ausgestorben
↪Lo_Cf_200D↩CR* - critically endangered / kritisch gefährdet
EN* - endangered / gefährdet
VU* - vulnerable / verletzlich
NT - near threatened / nahezu bedroht
LC - least concern / nicht gefährdet
Bei den mit einem * gekennzeichneten Kategorien spricht man von Arten, die "auf der roten Liste" stehen.
In der Schweiz haben die Roten Listen eine direkte Bedeutung für die Konkretisierung des Naturschutzes. Die Verordnung über den Natur- und Heimatschutz (NHV) legt fest [3], dass Lebensräume mit seltenen und gefährdeten Pflanzen- und Tierarten (gemäss den Roten Listen des BAFU) geschützt werden müssen. Die Umsetzung liegt in der Verantwortung der Kantone.
In Abbildung 2 sind die Ergebnisse der Rote Liste zusammengefasst. Erschreckend ist: fast die Hälfte (279 Arten, ~46%) aller Bienenarten der Schweiz sind gefährdet und folglich als Rote Liste-Arten kategorisiert (siehe rot gefärbte Anteile). Besonders betroffen sind die folgenden Artengruppen:
59 ehemals in der Schweiz lebende Bienenarten sind heute ausgestorben. Dies betrifft ganze 10% der heimischen Bienenarten und ist alarmierend. Verglichen mit anderen Insektengruppen ist dies ein extrem hoher Anteil (siehe Abbildung 3). Bei der Interpretation der Grafik muss jedoch bedacht werden, dass nicht alle Rote Listen gleich aktuell sind wie diejenige der Bienen. Die älteste Liste ist aus dem Jahr 2007 (Heuschrecken), die neuste aus dem Jahr 2021 (Singzikaden). Bemerkenswert ist jedoch, dass sich der Anteil der Roten Liste Arten (Summe der roten Flächen) bei allen Insektengruppen in einem ähnlichen Bereich bewegt. Dieser liegt zwischen 30 und 50%, mit Ausnahme der Singzikaden mit 80%.
Zum Nisten brauchen Wildbienen eine Vielzahlt an Kleinstrukturen, wie zum Beispiel Totholz, stehendes Altgras, offene Bodenstellen, Sand oder leere Schneckenhäuser. Jede Art hat spezifische Ansprüche. Momentan mangelt es an vielfältigen Nistmöglichkeiten. Die Gründe dafür sind vielfältig, beispielsweise: versiegelter Boden, eintönig bewirtschaftete Flächen, «saubere» Landschaft, wo Totholz oder stehengebliebenes Altgras kein Platz bekommt.
Die Distanzen zwischen den Nist- und Nahrungsplätzen dürfen nicht zu gross sein. Richtwert: Max. 100m für kleine und max. 300m für grosse Arten. Diese Vernetzung der Lebensräume ist vor allem in Ackerbaugebieten des Mittellandes häufig nicht gewährleistet.
Der Klimawandel hat viele Auswirkungen, die in ihrer gesamten Komplexität noch nicht verstanden sind. Grundsätzlich kann von negativen Auswirkungen auf kälteangepasste Arten, wie zum Beispiel Hummeln, ausgegangen werden. Zudem erwartet die Wissenschaft folgende Effekte, die teilweise bereits beobachtet werden:
[Originalquelle: Ohnegift.ch].
Unser Dank gilt dem Team von ohnegift, das uns freundlicherweise die Erlaubnis erteilt hat, ihren Artikel zu publizieren.
[1] OFEV (2024) : Rote Liste der Bienen. Gefährdete Arten in der Schweiz. Stand 2022.
[2] OFEV (2024): Rote Listen: Gefährdete Arten in der Schweiz.
[3] NHV Art. 14 Abs. 3