Die Annahme der parlamentarischen Initiative Bregy hätte zur Folge, dass zahlreiche bisher in der Schweiz nicht zugelassene Wirkstoffe ohne eine echte Bewertung der Risiken für Gesundheit und Umwelt zugelassen würden. Dies würde zu erheblichen Gesundheitsrisiken führen, da einige dieser Stoffe extrem gefährlich für die menschliche Gesundheit sind. Einer dieser kritischen Stoffe ist Tetraconazol - ein Fungizid, das das Hormonsystem stören, ungeborene Kinder schädigen und potenziell Krebs verursachen kann.
Mitte 2022 reichte Nationalrat Philipp Bregy die parlamentarische Initiative 22.441 mit dem Titel "Ein moderner Pflanzenschutz ist möglich" ein. Diese Initiative fordert ein vereinfachtes Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel in der Schweiz. Konkret könnten Pflanzenschutzmittel, die in den Referenzländern Frankreich, Italien, Österreich, Deutschland, Belgien und den Niederlanden zugelassen sind, in der Schweiz ohne substanzielle Bewertung der Risiken für Gesundheit und Umwelt genehmigt werden. Eine solche Gesetzesänderung würde ein reales Risiko für die menschliche Gesundheit, Tiere und die Umwelt darstellen. In den nächsten drei Blogartikeln beleuchten wir die Gesundheitsrisiken, die mit der parlamentarischen Initiative Bregy verbunden sind.
Eine parlamentarische Initiative (Palv) ist ein politisch-rechtliches Instrument, mit dem Änderungen von Gesetzen oder der Verfassung vorgeschlagen werden können. Sie kann von einem Mitglied des National- oder Ständerats oder von einer parlamentarischen Gruppe eingereicht werden. Wenn die zuständigen Kommissionen oder die Kammern den Handlungsbedarf anerkennen, wird die Initiative angenommen. Der zuständige Ausschuss hat dann zwei Jahre Zeit, um einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, gefolgt von einem Konsultationsverfahren und dem üblichen Gesetzgebungsprozess. Die parlamentarische Initiative ist eines der mächtigsten Instrumente des Schweizer Parlaments .1, 2
Die parlamentarische Initiative Bregy wurde von den beiden zuständigen Ausschüssen angenommen. Ein erster Gesetzesentwurf wurde am 9. September 2024 in die Vernehmlassung geschickt. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrats wird das Geschäft demnächst erneut beraten.
Durch die PaIv Bregy könnten zahlreiche bisher in der Schweiz nicht zugelassene Wirkstoffe künftig zugelassen werden. Das Problem dabei: Viele dieser Wirkstoffe bergen erhebliche gesundheitliche und ökologische Risiken. Da im Rahmen der PaIv Bregy auf eine umfassende Prüfung hinsichtlich Gesundheits- und Umweltauswirkungen verzichtet würde, steigt das Gesundheitsrisiko für die Schweizer Bevölkerung. Werfen wir zur Veranschaulichung einen Blick auf einen der betroffenen Wirkstoffe: Tetraconazol.
Tetraconazol ist ein Fungizid, welches hauptsächlich im Weinbau, aber auch im Ackerbau bei Kulturen wie Dinkel, Weizen und Zuckerrüben angewendet wird. Bekämpft werden damit Pilzkrankheiten wie Echter Mehltau, Blattfleckenkrankheiten, Gelbrost oder Braunrost.4 Tetraconazol gehört zu der Gruppe der Triazole. Diese wirken, indem sie die Herstellung von Ergosterol – einem Stoff in der Zellmembran von Pilzen – blockieren. Ergosterol ist überlebensnotwendig für Pilze, deswegen führt die Blockierung zum Zelltod und die Pilze sterben ab.5, 6
Von den Referenzländern der PaIv Bregy ist der Wirkstoff in Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien und Belgien zugelassen. 7 In Österreich sind 8 verschiedene Produkte mit dem Wirkstoff zugelassen4, in Frankreich 48. Die Verkaufsmengen (siehe Abbildung 1) in den jeweiligen Ländern zeigen eine stabil bleibende Verwendung dieser Mittel. Insbesondere in Frankreich ist die Verwendung mit zwischen 10 und 15 Tonnen jährlich konstant hoch. 2022 gab es in Deutschland eine Verkaufsspitze von 27 Tonnen.
Aufgrund der hohen Nachfrage nach Tetraconazol in den Referenzländern ist anzunehmen, dass dieser Wirkstoff im Falle der Umsetzung der PaIv Bregy in der Schweiz ebenfalls zugelassen wird und dadurch in die Umwelt gelangt.
Wie ein erster Blick auf die offiziellen Gefahrenhinweise zeigt (siehe Infobox), ist Tetraconazol sowohl direkt bei der Anwendung schädlich (gesundheitsschädlich bis tödlich beim Einatmen) als auch bei längerer Exposition. Besonders besorgniserregend sind die Kennzeichnungen zur Schädigung von ungeboren Kindern und der Fruchtbarkeit.
Gemäss offiziellen EU-Kategorisierung gelten die folgenden Gefahrenhinweise für Tetraconazol:
Zusätzlich dazu haben die österreichischen Behörden folgende Gefahrenhinweise aufgeführt:
Neuste wissenschaftliche Ergebnisse 9 zeigen, dass Triazole die weibliche Fruchtbarkeit und die Embryonalentwicklung auf verschiedene Weise negativ beeinflussen können. Längere Exposition mit dem Wirkstoff können die Funktion der Eierstöcke, den Eisprung und die Reifung der Eizellen beeinträchtigen. Ebenso kann die Östrogenproduktion und das hormonelle Gleichgewicht bei Frauen gestört werden. Bei schwangeren Frauen kann es zu Fehlbildungen beim Embryo kommen.
Der Mensch kann durch kontaminierte Wasserquellen, den Verzehr von Nahrungsmitteln, die direkte Anwendung der PSM oder durch andere Umwelteinflüsse mit Triazolen in Kontakt kommen. Rückstände von Triazolfungiziden werden häufig in Boden, Wasser, Lebensmitteln und Tierfutter gefunden. Dies hängt mit ihrer hohen chemischen Stabilität, ihrer geringen biologischen Abbaubarkeit und ihrer Fähigkeit, sich leicht in der Umwelt zu verbreiten, zusammen. 9 Eine französische Studie zeigte, dass die in der Umwelt gemessenen Konzentrationen nahe an dem Schwellenwert lagen, ab dem hormonelle Wirkungen beim Menschen zu erwarten sind. 10
In den USA ist Tetraconazol seit rund zwanzig Jahren zugelassen. Die dortigen Behörden stufen den Wirkstoff als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen.11 Diese Einschätzung basiert auf Studien, in denen bei Säugetieren – darunter Ratten, Mäusen und Hunden – Lebertumore nachgewiesen wurden. Bei langfristigem Kontakt mit dem Wirkstoff kann neben der Leber vor allem auch die Niere Schaden nehmen.
In der Schweiz werden ganze 10% der totalen landwirtschaftlichen Nutzfläche für den Anbau von Weinreben, Dinkel, Weizen und Zuckerrüben verwendet 12 – dem Hauptanwendungsgebiet von Tetraconazol. Würde der Stoff in der Schweiz zugelassen, gäbe es somit ein bedeutendes Anwendungspotenzial für das Fungizid Tetraconazol.
Dazu kommt, dass Tetraconazol sehr stabil in der Umwelt ist.13 Mit Halbwertszeiten von 106 Tagen bis über einem Jahr baut sich die Substanz nur sehr langsam ab12. Somit kann sich der Stoff in der Umwelt, z.B. im Boden oder im Grundwasser, anreichern und nicht nur Anwender:innen, sondern auch die allgemeine Bevölkerung gefährden. In Anbetracht der grossen gesundheitlichen Gefahren – Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit, hormonelle Störung, gestörte Embryonalentwicklung und Krebsrisiko – in Kombination mit der langen Beständigkeit in der Umwelt ist eine Zulassung von diesem Wirkstoff höchst bedenklich.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie die Umsetzung der PaIv Bregy die Gesundheit von Menschen in der Schweiz gefährden kann. Eine vereinfachte Zulassung von PSM im Sinne der PaIv Bregy lässt sich aus gesundheitlicher Sicht nicht verantworten.
[Originalquelle: ohnegift.ch].
Unser Dank gilt dem Team von ohnegift, das uns freundlicherweise die Erlaubnis erteilt hat, ihren Artikel zu publizieren.
[1] Parlamentsdienste (2023) : Parlamentswörterbuch.Faktenblatt Parlamentarische Initiative.
[2] Wikipedia (2023) : Parlamentarische Initiative.
[3] Vergleich mit den in den Referenzländern zugelassenen Wirkstoffen :European Commission: Search Active substances, safeners and synergists(abgerufen am 21.05.2025).
[4] Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) (2025) : Pflanzenschutzmittel-Register. Wirkstoff: Tetraconazol. (Abgerufen am 21.05.2025)
[5] Bundesamt fürVerbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2014): PSM-Zulassungsbericht(Registration Report). Pflanzenschutzmittel: Galileo.
[6] DockCheckFlexikon: Ergosterin. (abgerufen am 21.05.2025)
[7] European Commission: Wirkstoff, Tetraconazol. (abgerufen am 21.05.2025)
[8] ANSES E-Phy: 4 Ergebnisse in Pflanzenschutzmitteln. Tetraconazol. (abgerufen am21.05.2025)
[9] Sharma & Pandey (2025): Understanding the impact of triazoles on female fertility and embryo development: Mechanisms and implications.
[10] Serra et al. (2023): In vitro exposure to triazoles used as fungicides impairs human granulosa cells steroidogenesis.
[11] United States Environmental Protection Agency (EPA) (2005) : Pesticide Fact Sheet. Tetraconazol.
[12] Eigene Berechnung mit Daten von : Bundesamt für Landwirtschaft BLW (2024): Agrarbericht 2024. Seite 55.
[13] University of Hertfordshire (2024) : Pesticide Properties DataBase. Tetraconazole. (abgerufen am 21.05.2025)