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PFAS – Reise durch Umwelt, Zeit und Nahrung

Célina Leuba
Von
Célina Leuba
am
9/11/25
In Kürze

PFAS – auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt – sind sehr stabile chemische Verbindungen, die seit Jahrzehnten in zahlreichen Alltagsprodukten verwendet werden. Dieser Artikel erklärt, was diese Stoffe sind, warum sie problematisch sind, und richtet den Fokus besonders auf TFA, ein kurzkettiges PFAS, das heute allgegenwärtig in Gewässern, Böden und Lebensmitteln vorkommt.

PFAS, was ist das?

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) bilden eine grosse Gruppe von mehreren tausend synthetischen chemischen Verbindungen, die seit den 1940er-Jahren verwendet werden. Gemeinsam ist ihnen mindestens eine Kohlenstoff-Fluor-Bindung, eine der stabilsten Bindungen in der Chemie. Diese Stabilität verleiht ihnen bemerkenswerte Eigenschaften: Hitzebeständigkeit, Chemikalienresistenz, wasser- und fettabweisende sowie fleckenresistente Eigenschaften. Diese Qualitäten erklären ihren breiten Einsatz sowohl im Alltag als auch in der Industrie: wasserfeste Kleidung, antihaftbeschichtete Pfannen, Lebensmittelverpackungen, Kosmetika, Klimaanlagen, Pflanzenschutzmittel, Halbleiter, Löschschäume, Textilproduktion und Galvanotechnik.

Die außergewöhnliche Stabilität der PFAS macht sie zugleich gefährlich. Diese Substanzen bauen sich nur sehr langsam ab, können über Jahrhunderte in der Umwelt bestehen bleiben und sich sowohl in Ökosystemen als auch im menschlichen Körper anreichern.

Selbst wenn sie umgewandelt werden, entstehen aus einigen PFAS Verbindungen mit kürzerer Kette, die häufig toxisch und persistent bleiben.

PFAS verbreiten sich leicht, getragen durch Wasser und atmosphärische Strömungen. Heute findet man sie überall – in der Luft, im Wasser, in den Böden, in den Wäldern und sogar auf den entlegensten Alpengipfeln. Die Expositionswege sind vielfältig: Aufnahme über Trinkwasser oder Nahrungsmittel, Einatmen von Hausstaub sowie Kontakt mit Alltagsprodukten wie Textilien, Verpackungen oder Kosmetika. [1]

Bild 1 PFAS reichern sich in unserer Umwelt an, einige gelangen entlang der Nahrungskette bis auf unsere Teller und in unsere Gläser. In der Schweiz haben mehrere Studien gezeigt, dass bestimmte Fische die gesetzlichen Grenzwerte für toxische PFAS wie PFOS oder PFOA überschreiten.

Die meisten PFAS sind noch wenig erforscht, während PFOS und PFOA gut dokumentiert sind und als krebserregend gelten. Es gibt jedoch immer mehr Forschungsergebnisse, die alle in die gleiche Richtung weisen: Diese Stoffe haben viele schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit. Insbesondere TFA ist in den Fokus der Wissenschaft gerückt: Es gilt als reprotoxisch, d. h. es kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und die Entwicklung des Fötus beeinträchtigen [2].

Um zu entdecken, wo sich PFAS in ganz Europa befinden, sehen Sie sich die interaktive Karte an."Map of Forever Pollution in Europe"

TFA, ein kleines PFAS, überall in der Schweiz – und zunehmend verbreitet

Trifluoressigsäure (TFA), der kleinste der „Ewigkeitschemikalien“, ist ein kurzkettiges PFAS. Das bedeutet, dass seine Moleküle klein sind und weniger Kohlenstoffatome enthalten als langkettige PFAS. Obwohl TFA industriell hergestellt wird, stammt der Grossteil des in der Natur vorkommenden TFA nicht direkt aus der Produktion, sondern entsteht beim Abbau anderer PFAS, die beispielsweise in Pestiziden oder fluorierten Gasen verwendet werden. Von den etwa 10 000 bekannten PFAS können rund 2 000 nach ihrer Freisetzung in die Umwelt in TFA umgewandelt werden.

TFA ist eine der stabilsten jemals vom Menschen hergestellten synthetischen Chemikalien: Seine Halbwertszeit beträgt über 10 000 Tage (fast 30 Jahre), was bedeutet, dass es mehr als zwei Jahrhunderte in der Umwelt bestehen bleiben könnte, bevor es vollständig abgebaut ist. Zudem ist es extrem mobil und sehr wasserlöslich. Die Persistenz von TFA führt dazu, dass jede neue Produktion sich zur bereits bestehenden Anreicherung in der Umwelt addiert und so künftige Generationen zunehmend exponiert werden. 

TFA ist inzwischen fast überall in der Schweiz nachweisbar. Laut dem nationalen Grundwassermessnetz NAQUA wurde TFA in über 98 % der untersuchten Grundwassermessstellen im ganzen Land gefunden. Besonders besorgniserregend ist dabei, dass TFA deutlich häufiger vorkommt als andere PFAS: Die Konzentrationen sind 100- bis 1000-mal höher als die bisher für andere Substanzen gemessenen Werte. [3]

Aufgrund seiner hohen Persistenz und seiner kontinuierlichen Emissionen steigt die TFA-Konzentration weiter an. Der Bericht 2024 des Verbands der Wasserwirtschaft Bodensee-Rhein (AWBR) zeigt einen besorgniserregenden Anstieg der TFA-Konzentrationen im Hochrhein auf: Seit den ersten Messungen im Jahr 2016 haben sich die Werte verdoppelt.

Dieser Trend ist nicht auf den Rhein beschränkt: Ähnliche Anstiege sind in mehreren großen Schweizer Seen zu beobachten, darunter Konstanz, Zürich, Biel und der Vierwaldstättersee. [4]

Abbildung 1: Steigende TFA-Werte in den Seen Bielersee , Bodensee, Zürichsee und Vierwaldstättersee. Quelle: Bericht Rhein 2024 der AWBR

Die Anreicherung von TFA in Böden, Pflanzen und unserer Nahrung

TFA ist eine sehr mobile Substanz. Wenn es entsteht – also beim Abbau bestimmter PFAS –, wird es rasch mit dem Wasser ins Grundwasser verfrachtet oder sammelt sich im Bodenwasser an. Da es sich in den Poren des Bodens konzentriert, kann es leicht von Pflanzen über ihre Wurzeln aufgenommen werden. [5]

Neuere Studien, die im Rahmen der Zulassung des Pflanzenschutzmittels Flufenacet durchgeführt wurden, haben bestätigt, dass dieser Wirkstoff in bedeutenden Mengen von den Wurzeln aufgenommen und in die Stängel und Blätter transportiert wird. [6]. Dieses Phänomen gewinnt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen besondere Bedeutung, wo die hauptsächlich aus dem Abbau von Pflanzenschutzmitteln stammenden TFA-Quellen mit schnell wachsenden und wasserintensiven Kulturen in Kontakt kommen.

Es wurden mehrere Studien durchgeführt, um das Vorkommen von TFA in Lebensmitteln und Getränken zu bewerten:

In Bier und Tee

Analysen in Deutschland zeigen, dass TFA auch in unseren Getränken vorkommt: im Durchschnitt 6 µg/L in Bier und 2 µg/L in Tee. [7]

In Getreide und Alltagsprodukten

Brot, Teigwaren, Kekse – alle enthalten TFA, das aus PFAS-haltigen Pestiziden stammt. Eine Studie in Österreich untersuchte 48 Produkte, sowohl Bio- als auch konventionelle, und fand Werte von 13 µg/kg im Bio-Roggen bis zu 420 µg/kg in herkömmlichen Keksen. Die Konzentrationen sind dreimal so hoch wie vor acht Jahren und bis zu 1 000-mal höher als im Trinkwasser. [8]

Im Wein

Der TFA-Gehalt im Wein ist seit 2010 stark angestiegen. Weine vor 1988 enthielten noch kein TFA, während die zwischen 2021 und 2024 produzierten Weine im Durchschnitt 122 µg/L aufweisen, mit Spitzenwerten von über 300 µg/L. Dieses Phänomen betrifft alle untersuchten Wein produzierenden Länder, und die Werte liegen deutlich über denen im Wasser. [9]

Diese Ergebnisse zeigen, dass TFA sich leicht in Pflanzen anreichert und entlang der gesamten Nahrungskette zirkuliert, bis es in unsere Lebensmittel und Getränke gelangt. Diese Anreicherung wirft Fragen zu den langfristigen Auswirkungen auf, insbesondere in Bezug auf Fruchtbarkeit und die Entwicklung von Organismen weltweit. [10]

Abbildung 2 Aufgrund der extremen Persistenz von TFA und seiner kontinuierlichen Emissionen steigt seine Konzentration ohne Umkehrmöglichkeit. Quelle Environ. Sci. Technol. 2024, 58, 45,

Dieser Artikel ist Teil einer Serie über PFAS, mit besonderem Fokus auf TFA. Die kommenden Beiträge werden die wichtigsten Quellen von TFA, seine Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt sowie die aktuellen politischen Massnahmen beleuchten – die oft als unzureichend angesehen werden, um seine Anreicherung in der Natur und der Nahrungskette zu bremsen.

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Quellen

[1] Weber S et al. (2025) PFAS in Fischen aus Flüssen beider Basel. Rudin E., Aicher L., Heuberger M., Kroll A., Stamm C. (2025). PFAS: Präsenz, Risiken und Handlungsmöglichkeiten. Swiss Academies Factsheets, vol. 20, Nr. 4. Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT). DOI: 10.5281/zenodo.16958276

[2] European Chemicals Agency (ECHA). ECHA Registration. Dossier für Trifluoroacetic Acid . https://echa.europa.eu/de/registration-dossier/-/registered-dossier/5203/7/1.

[3] TFA im Grundwasser, auf der Website des BAFU: https: //www.bafu.admin.ch/bafu/fr/home/themes/eaux/eaux-souterraines/qualite-des-eaux-souterraines/tfa-im-grundwasser.html#984684422

[4] Fleig, M., & Klinger, J. (2024). Ergebnisse aus dem Untersuchungsprogramm 2024. In 56. AWBR-Jahresbericht 2024(S. 27-58). TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser, Karlsruhe. https://www.awbr.org/informationen/jahresbericht/ https://www.aquaetgas.ch/fr/actualité/nouvelles-de-la-branche/20250523-awbr-tfa-trend-valeurs-augmentées-interdiction/

[5] Boutonnet, J.C; Bingham, P; Calamari, D; de Rooij, C; Franklin, J; Kawano, T; Libre, J-M; McCul-Ioch, A; Malinverno, G; Odom, J.M; Rusch, G.M; Smythe, K; Sobolev, I; Thompson, R; Tiedje, J.M (1999): Environmental Risk Assessment of Trifluoroacetic Acid, Human and Ecological Risk Assessment: An International Journal, 5:1, S. 59-124. DOI:10.1080/10807039991289644

[6] EFSA - Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (2017a): Flufenacet: Draft Renewal Assessment Report Flufenacet, Volume 3, Annex B.8 (AS) Fate and Behaviour in the Environment. https://www.efsa.europa.eu/en/consultations/call/170920 (Stand vom :19.08.2021)

[7] Scheurer, M; Nödler, K (2021): Ultrashort-chain perfluoroalkyl substance trifluoroacetate (TFA) in beer and tea - An unintended aqueous extraction. - in: Food Chemistry 351 (2021) 129304 https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2021.129304

[8] https://www.pan-europe.info/sites/pan-europe.info/files/public/resources/reports/Report_03062025_TFA%20in%20Cereal%20Products%20The%20Forever%20Chemical%20in%20our%20Daily%20Bread.pdf

[9] https://www.pan-europe.info/sites/pan-europe.info/files/public/resources/reports/Message%20from%20the%20bottle_TFA%20in%20wine%20_23042025.pdf

[10] Environ. Sci. Technol. 2024, 58, 45, 19925-19935 https://pubs.acs.org/doi/pdf/10.1021/acs.est.4c06189?ref=article_openPDF

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