Die Schweiz ist mit Stickstoffdünger überdüngt. Dies ist vor allem auf die zu hohe Anzahl an Nutztieren in der Landwirtschaft zurückzuführen, die zu Stickstoffüberschüssen in Form von Mist und Gülle führt. Das agrarpolitische Ziel, die Stickstoffüberschüsse in der Schweiz deutlich zu reduzieren, wird seit Jahrzehnten nicht erreicht. Und je mehr Stickstoff in den Böden vorhanden ist, desto geringer ist die Biodiversität. Umgekehrt ermöglichen nährstoffarme Böden eine größere Vielfalt an Blütenpflanzen, was wiederum das Nahrungsangebot für bestäubende Insekten erhöht. Das Überleben der bestäubenden Insekten hängt von einem vielfältigen und über die Jahreszeiten hinweg verfügbaren Nahrungsangebot ab. Wir fordern, dass Stickstoffüberschüsse und damit die Zahl der Nutztiere reduziert werden und blütenreiche landwirtschaftliche Ökosysteme wie Magerwiesen wirksam unterstützt werden.
Ohne bestäubende Insekten wäre unsere Welt ein wenig trostloser. Denn diese Tiere leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherung unserer Ernten und zur Stabilität der Ökosysteme. Die Zukunft der bestäubenden Insekten ist jedoch nicht sehr vielversprechend. Neben geeigneten Lebensräumen fehlt es den Insekten auch an einer verfügbaren und kontinuierlichen Nahrungsquelle. Das Problem: die Überdüngung von landwirtschaftlichen Flächen und halbnatürlichen Ökosystemen durch die Haltung einer hohen Anzahl von Nutztieren.
In der Schweiz werden jährlich etwa 230 000 Tonnen Stickstoff ausgebracht, hauptsächlich in Form von Hofdünger, d. h. Mist und Gülle aus der Tierhaltung. Fast die Hälfte des Stickstoffs wird nicht von den gedüngten Pflanzen aufgenommen, sondern entweicht als Ammoniak in die Luft, wird in Oberflächengewässer und ins Grundwasser abgeleitet oder reichert sich im Boden an. Im Jahr 2021 betrug der Stickstoffüberschuss in der gesamten Schweiz rund 99'000 Tonnen Stickstoff. [1]
Mist und Gülle werden vor allem im Futteranbau für Rinder verwendet, d. h. auf Wiesen und Weiden ausgebracht. Natürliche Wiesen und Weiden sowie künstlich angelegtes Grasland machen etwa 70% der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. [2] Da aber viel Stickstoff in die Luft entweicht, werden auch weiter entfernte Flächen mit Stickstoff beaufschlagt und somit überdüngt. Dies stellt vor allem für halbnatürliche Ökosysteme eine Belastung dar, aber auch für Wälder, insbesondere Fichtenmonokulturen.
Genau wie Menschen benötigen auch Pflanzen (neben Wasser und Sonnenlicht) bestimmte essentielle Nährstoffe für ihr Wachstum. Diese werden in Makroelemente (die in großen Mengen benötigt werden) und Mikroelemente (die in kleinen Mengen benötigt werden) unterteilt. Makroelemente sind Stickstoff, Phosphor, Kalium, Magnesium, Kalzium und Schwefel, Mikroelemente sind u.a. Eisen, Mangan, Zink und Kupfer[3].
Durch das Düngen sollen die Nährstoffe so ergänzt werden, dass die Pflanzen bestmöglich wachsen. Die verschiedenen Düngemittel unterscheiden sich durch ihre Zusammensetzung und die Menge an Nährstoffen, die sie enthalten. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Hofdünger - Mist und Gülle aus der Tierhaltung - und Mineraldünger (meist Kunstdünger), z. B. Ammoniumnitrat.
Grundsätzlich ist die Düngung die logische Folge der Futtermittelproduktion. Raufutter von Wiesen, Weiden und Feldern (Grünmais) sowie Kraftfutter aus Feldfrüchten (Gerste, Körnermais, Sojabohnen usw.) werden an Tiere verfüttert. Es werden also Nährstoffe aus der landwirtschaftlichen Nutzfläche entzogen. Das daraus resultierende Nährstoffdefizit wird wiederum durch das Ausbringen von Mist und Gülle ausgeglichen. Damit wird in etwa derselbe Effekt erzielt, als wenn die Pflanzen stehen gelassen und die Nährstoffe durch natürliche Zersetzung dem Boden wieder zugeführt werden. Der Nährstoffkreislauf ist geschlossen. Zumindest in der Theorie.
In der Praxis sieht die Bilanz jedoch anders aus. Ein großer Teil des Kraftfutters für Tiere in der Landwirtschaft wird nicht in der Schweiz angebaut, sondern importiert (siehe Abbildung 2). Man kann sich die Futtermittelimporte als einen Stoffstrom vorstellen: Nährstoffe werden in Form von Kraftfutter aus anderen Ländern in die Schweiz gebracht und hier in Form von Mist und Gülle auf die landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Dadurch entsteht im Herkunftsland ein Defizit an diesen Elementen und in der Schweiz ein Überschuss.[4].
Die Aufrechterhaltung einer hohen Anzahl von Nutztieren in der Schweiz ist daher der Hauptgrund für zu hohe Nährstoffeinträge.
Zu den Folgen der Überdüngung gehören [5] :
Letzteres ist besonders wichtig für die Nahrungsversorgung von bestäubenden Insekten.
Unter nährstoffarmen (stickstoffarmen) Bedingungen wachsen spezialisierte Arten, die sich mit diesen "schwierigen Bedingungen" arrangieren. So bietet ein nährstoffarmer Boden einen Lebensraum für verschiedene spezialisierte Pflanzen. Die schnell wachsenden Gräser, die in fetten Wiesen dominieren, haben in einer mageren Wiese keine Chance (zu fetten und mageren Wiesen siehe den orangefarbenen Kasten). Werden jedoch sehr konkurrenzstarke Gräser durch Düngung (Stickstoffzufuhr) gefördert, nimmt die Artenvielfalt ab. Eine hohe Verfügbarkeit von Nährstoffen führt in der Regel zu einer Verarmung der Pflanzenvielfalt und verringert somit das Nahrungsangebot für bestäubende Insekten.
"Fett" = nährstoffreich. In einer Fettwiese ist der Nährstoffeintrag in den Boden sehr hoch. Die Bedingungen sind ideal für das Pflanzenwachstum oder hohe Erträge; schnell wachsende, konkurrenzstarke Gräser dominieren. Die Artenvielfalt ist gering. Fettwiesen werden aktiv mit Düngemitteln zur Erzeugung von Futter für Rinder, vor allem für die Milchproduktion, bewirtschaftet.
"Mager" = nährstoffarm. Mageres Grünland zeichnet sich durch nährstoffarme und trockene Böden aus. Dies schafft ungünstige Bedingungen für das Pflanzenwachstum oder hohe Erträge. Im Laufe der Evolution haben die Pflanzen Strategien "entwickelt", um mit nährstoffarmen und trockenen Bedingungen umzugehen. Magerwiesen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Schweiz: Ein Quadratmeter kann bis zu 50 Pflanzenarten enthalten![7].
Bestäuber benötigen eine große Vielfalt an Blumen ...
Viele bestäubende Insekten, wie z. B. Wildbienen, sind hochspezialisierte Arten. Damit es eine ausreichende Vielfalt an Blüten (die richtige Art für jeden Bestäuber) und damit an Nahrung gibt, braucht eine Wiese magere Bedingungen (siehe orangefarbener Kasten). Dafür sind humusarme und ungedüngte Böden notwendig. Um das Überleben der Blütenpflanzen zu sichern, sollten sie erst geschnitten werden, wenn sie bereits geblüht und Samen gebildet haben (nicht vor dem 14. Juli [8]). Danach sollte man das geschnittene Gras einige Tage stehen lassen, damit die Samen zu Boden fallen können, und es schließlich abtransportieren, um eine Ansammlung von Nährstoffen zu vermeiden. [5]
... und das die ganze Saison über
Von März bis Oktober fliegen verschiedene Arten von Wildbienen, die jeweils unterschiedliche Blütenpflanzen für ihre Ernährung benötigen. Daher wird während der gesamten Vegetationsperiode eine Palette unterschiedlicher Blumen benötigt (Abbildung 4). Einerseits sollte man auf ein vielfältiges "Angebot" an Blumen achten, andererseits sollte eine Wiese nie auf einmal auf der gesamten Fläche gemäht werden. 10-20 % der Wiese sollten beim Mähen nicht abgeschnitten werden, am besten die Stellen, die noch am meisten blühen. Auch im Winter ist es wichtig, kleine Inseln oder Streifen in der Wiese als Rückzugsgebiete für Tiere zu belassen[9].
Das agrarpolitische Ziel, die Stickstoffüberschüsse in der Schweiz deutlich zu reduzieren, wird seit Jahrzehnten nicht erreicht.[10] Böden, Wasser, Luft und die Natur werden weiterhin mit Stickstoff belastet, was nicht nur Auswirkungen auf den Menschen, sondern auch auf bestäubende Insekten hat. Zu nährstoffreiche Böden führen zu einer Verarmung der Artenvielfalt und damit zu einem Mangel an Nahrung für Bestäuber. Bestehende Direktzahlungen zur Förderung der Biodiversität - z.B. Beiträge für extensiv genutzte Wiesen, Hecken und Feldgehölze, Buntbrachen oder Blühstreifen für Bestäuber und andere nützliche Insekten[11] - sind unter den heutigen, die Tierproduktion fördernden Bedingungen wenig hilfreich. Abhilfe schafft eine geringere Düngung; dazu muss die übermäßige Anzahl an Nutztieren auf ein standortangepasstes Maß reduziert werden. Standortgerecht bedeutet, dass in der Schweiz nur so viele Tiere gehalten würden, wie mit Schweizer Futtermitteln gefüttert werden können.
[Originalquelle: Ohnegift.ch].
Unser Dank gilt dem Team von ohnegift, das uns freundlicherweise die Erlaubnis erteilt hat, ihren Artikel zu publizieren.
[1] Bundesamt für Statistik (2023): Stickstoffbilanz der Landwirtschaft
[2] Bundesamt für Statistik (2024): Landwirtschaftliche Nutzfläche ohne Sömmerungsweiden
[3] Schilling (2000): Pflanzenernährung und Düngung
[4] Schweizerische BienenZeitung (2024): Magerwiesen und Wiesenpflege
[5] Richner et al. (2015): Düngung und Umwelt: Grundlagen für die Düngung landwirtschaftlicher Kulturen in der Schweiz. Agroscope.
[6] SRF DOK (2023): Unser täglich Fleisch - Von Gülle, Jobs und Umweltschäden
[7] naturnetz: Magerwiesen
[8] Agridea (2024): Biodiversitätsförderung auf dem Landwirtschaftsbetrieb - Wegleitung
[9] Pfiffner & Müller (2016): Wildbienen und Bestäubung. FiBL.
[10] BAFU & BLW (2008). Umweltziele Landwirtschaft. Und Der Bundesrat (2022): Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik.
[11] Bundesamt für Landwirtschaft. Agrarbericht 2023, Biodiversitätsbeiträge.