Artikel

Wildbienen und Pestizide

Dr. Hans Maurer
Von
Dr. Hans Maurer
am
1/8/23
In Kürze

Wildbienen, Wespen und Ameisen bilden die Ordnung der Insekten Hymenoptera, von denen in der Schweiz bislang 1400 Arten (sowie 1900 parasitäre Wespenarten) identifiziert wurden, von denen etwa 620 Wildbienen sind [1]. Allerdings haben selbst die besten Experten im Laufe ihres Lebens kaum mehr als 400 verschiedene Wildbienenarten gesehen, denn 57 sind bereits ausgestorben, 220 sind vom Aussterben bedroht oder gefährdet und 58 sind potenziell gefährdet. Insgesamt sind 55% der Arten in einem schlechten Zustand. Schlupfwespen sind eine ökologische Schlüsselgruppe, die für die Struktur und das Funktionieren der terrestrischen Ökosysteme von entscheidender Bedeutung ist [2]. Ohne Schlupfwespen könnten zum einen die meisten Blütenpflanzen nicht mehr existieren, und zum anderen könnten andere Pflanzen wie selbstbestäubende Blütenpflanzen und Gräser wie Weizen oder Reis kaum überleben, da Schlupfwespen eine wichtige Rolle als Antagonisten von Schadinsekten spielen. Kurz gesagt: Weder Menschen noch Tiere könnten auf der Erde leben, wenn es keine Schlupfwespen gäbe!

Pestizide bedrohen vor allem Wildbienen und weniger Honigbienen

Es ist eine Binsenweisheit, dass "die Bienen" durch Pestizide bedroht sind. Wenn man das sagt, denkt man in der Regel an die Honigbiene, die durch die in der Landwirtschaft verwendeten Pflanzenschutzmittel vergiftet werden kann. Die Situation ist jedoch komplexer: Die Populationen der Honigbiene sind relativ wenig gefährdet, da sich Honigbienen als Zuchttiere leicht vermehren können. Wenn ein Bienenvolk an Vergiftung stirbt, kauft der Imker ein neues. Wenn sie zu wenig Nahrung haben, werden sie mit Zuckerwasser gefüttert.

Ganz anders verhält es sich mit den "1399" anderen Schweizer Wildbienen, Wespen und Ameisen, die überleben müssen, indem sie sich selbst helfen.

Pestizide sind nicht die einzige Ursache dafür, dass ein Großteil der einheimischen Schlupfwespen bedroht ist oder bereits ausgestorben ist. Auch die Tatsache, dass die Anzahl und die Vielfalt der Blütenpflanzen in den letzten Jahrzehnten enorm abgenommen haben, spielt eine wichtige Rolle. Vor allem wegen der landesweiten Überdüngung durch atmosphärische Stickstoffverbindungen, wie Ammoniak aus der Massentierhaltung oder Stickoxide aus dem Straßenverkehr. Zwar mögen die meisten Blütenpflanzen Stickstoffdünger, aber das Wachstum wird besonders von Gräsern angekurbelt, die den verfügbaren Platz schnell besetzen und den Blütenpflanzen ihre Energiequelle (Sonnenlicht) entziehen, indem sie sie beschatten. Unsere einst so reichhaltigen Grasland-Ökosysteme leiden unter "Düngemittel-Fettleibigkeit".

Vorschriften für Pestizide

Wenn wir von Pestiziden sprechen, meinen wir damit: Pflanzenschutzmittel für die Landwirtschaft (im Folgenden auch " PSM ") und Biozide für andere Zwecke wie Holzschutz, Fassadenschutz oder Ameisengift (im Folgenden auch " Biozid "). Sowohl Pflanzenschutzmittel als auch Biozide werden durch unterschiedliche Gesetze geregelt. Die Regulierung von Pflanzenschutzmitteln findet sich in der Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV), die von Bioziden in der Biozidprodukteverordnung. Der Bundesrat hat fast wortwörtlich die gesamte EU-Gesetzgebung kopiert. Die dort entstandenen Missstände werden in der Schweiz fortgeschrieben.

PSM und Biozide müssen von der Bundesverwaltung zugelassen werden, bevor sie in der Schweiz verkauft werden dürfen. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) ist für die Zulassung von PSM zuständig, das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für die Zulassung von Bioziden. Mehrere andere Bundesämter sind im Vorfeld der Zulassung als Bewertungsstellen tätig, z. B. das Bundesamt für Umwelt bei Fragen des Gewässerschutzes. Der Bundesrat änderte die Zuständigkeiten für die Zulassung von PSM bis 2022, da es im ehemaligen Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zu massiven Funktionsstörungen gekommen war. Dem BLW gelang es jedoch, weiterhin die "Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtzielarten, die Bodenfruchtbarkeit und Bienen in behandelten landwirtschaftlichen Flächen" zu bewerten (Art. 72c Bst. b LSV). Ausgerechnet dem BLW, das den Schutz von Hymenopteren in den letzten Jahrzehnten weitgehend ignoriert hat, wurde diese wichtige Kompetenz weiterhin zugeschrieben. Mit anderen Worten: Es wurde weiterhin der Bock zum Gärtner gemacht. Dies gilt insbesondere auch für Wildbienen.

Diese Auffassung der Verwaltungsorganisation innerhalb des Bundes erklärt zum großen Teil, warum Wildbienen (und andere Hautflügler) in intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten kaum vorkommen, während sie in Ballungsgebieten und Städten relativ häufig anzutreffen sind.

[Originalquelle: Ohnegift.ch].

Unser Dank gilt dem Team von ohnegift, das uns freundlicherweise die Erlaubnis erteilt hat, ihren Artikel zu publizieren.

Quellen
FAQ

Mehr erfahren

No items found.