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Palv Bregy: Pflanzenschutz auf Kosten der Gesundheit? Teil 2,Tri-allat - Was Frankreich verbietet, soll bei uns aufs Feld

Solène Schaub
Von
Solène Schaub
am
3/9/25
In Kürze

Die Annahme der parlamentarischen Initiative Bregy hätte zur Folge, dass zahlreiche bisher in der Schweiz nicht zugelassene Wirkstoffe ohne eine echte Bewertung der Risiken für Gesundheit und Umwelt zugelassen würden. Dies würde zu erheblichen Gesundheitsrisiken führen, da einige dieser Stoffe extrem gefährlich für die menschliche Gesundheit sind. Einer dieser kritischen Stoffe ist Tri-allat - ein neurotoxisches und potenziell krebserregendes Herbizid, das in mehreren Nachbarländern verboten ist, aber in der Schweiz zugelassen und verwendet werden könnte, obwohl seine Schädlichkeit vollkommen bekannt ist.

Einführung

Sollen Pflanzenschutzmittel (PSM) in der Schweiz zugelassen werden, wenn sie in einem der Länder Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Belgien oder den Niederlanden bereits zugelassen sind? Über diese Gesetzesänderung wird aktuell diskutiert. Der Vorschlag kommt aus der parlamentarischen Initiative «Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen» von Nationalrat Bregy (folgend PaIv Bregy genannt). Bei einer Annahme der PaIv Bregy würde in der Schweiz auf eine wesentliche Gesundheits- und Umweltprüfung verzichtet werden. Dies zu Lasten der Gesundheit der Bevölkerung.

Im letzten Blogartikel haben wir gesehen, dass das schädliche Fungizid Tetraconazol durch die PaIv Bregy in der Schweiz zugelassen werden könnte. Doch es gibt noch weitere bedenkliche Stoffe, die mit der Annahme der PaIv Bregy in der Schweiz zugelassen und ausgebracht werden könnten und sich somit negativ auf unsere Gesundheit auswirken würden.

Substitutionskandidaten – als Risiko erkannt und doch nicht gebannt

Ein guter Hinweis auf die Gefährlichkeit von PSM ist deren Klassifikation der EU als Substitutionskandidat. Als solches werden Stoffe klassifiziert, die aufgrund ihrer Schädlichkeit durch weniger gefährliche Wirkstoffe ersetzt werden sollen (weitere Infos zu Substitutionskandidaten in der Infobox). Aus diesem Grund werden Substitutionskandidaten in der EU normalerweise nur für maximal 7 Jahre zugelassen. 1 In der Praxis ist es jedoch so, dass diese Stoffe häufig viel länger in der Anwendung bleiben als eigentlich vorgesehen. Dies wird am Beispiel Tri-allat deutlich: Der Stoff ist bereits seit 15 Jahren ohne wissenschaftliche Prüfung – also doppelt so lange wie geplant – in Anwendung.2

Substitutionskandidat

Ein Stoff gilt gemäss EU-Verordnung als Substitutionskandidat, wenn er mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt:

  • krebserregend, erbgutverändernd und fortpflanzungsgefährdend
  • hormonaktiv
  • persistent, bioakkumulierbar und toxisch
  • sehr persistent und sehr bioakkumulierbar

Eine Untersuchung des Pesticide Action Network (PAN) Germany aus dem Jahr 20223 hat ergeben, dass viele EU-Länder erschreckend viele Substitutionskandidaten trotz dem Wissen um ihre Schädlichkeit im Einsatz haben. Abbildung 1 zeigt die Anzahl Substitutionskandidaten für die Referenzländer, die von Bregys Vorstoss betroffen wären.

Abbildung 1: Anzahl der Substitutionskandidaten im Jahr 2021 für die Nachbarsländer der Schweiz sowie Belgien und die Niederlanden. Eigene Darstellung mit Inhalten aus dem Pestizidatlas 2022, Seite 17.

Ca. ein Viertel der Wirkstoffe, die durch die PaIv Bregy neu in der Schweiz zugelassen werden könnten, sind Substitutionskandidaten.4 Diese hohe Anzahl belegt, dass bei einer Umsetzung der PaIv Bregy viele Pestizide zugelassen werden könnten, die wegen ihrer Toxizität nicht mehr angewendet werden sollten. Innerhalb der Gruppe der Substitutionskandidaten gib es besonders gefährliche Stoffe. Einer davon ist Tri-allat.

Tri-allat – Herbizid mit unerwünschten Nebenwirkungen

Tri-allat ist ein selektives Herbizid, welches zur Bekämpfung verschiedener einjähriger Ungräser verwendet wird. Es findet vor allem Anwendung in Getreidekulturen, Ölsaaten und Zuckerrüben. Der Wirkstoff wirkt über den Boden und bleibt dort über längere Zeit aktiv (= bodenwirksam). Er wird in der Regel dann ausgebracht, wenn die Kultur bereits ausgesät, aber noch nicht ausgetrieben, also noch nicht aufgelaufen ist. Sobald die unerwünschten Gräser keimen, nehmen sie den Wirkstoff über den Boden auf. Tri-allat hemmt bestimmte Enzyme, die für die Zellteilung notwendig sind. Dadurch wird das Wachstum der Keimlinge gestört, was letztlich zum Absterben der Unkräuter führt.5,6

Die Liste der Gefahrenhinweise zu Tri-allat (siehe Infobox) zeigt auf den ersten Blick keine besonders herausstechenden schädlichen Effekte. Alarmierend ist aber der Hinweis auf Organschädigungen. Die Einstufung des Wirkstoffs als Substitutionskandidat durch die EU2 belegt zudem, dass eine relevante Gesundheitsgefährdung besteht und diese auch offiziell anerkannt ist.

Gefahrenhinweise Tri-allat

Gemäss der offiziellen EU Kategorisierung, gelten die folgenden Gefahrenhinweise für Tri-allat:

  • Gesundheitsschädlich bei Verschlucken
  • Kann allergische Hautreaktionen verursachen
  • Kann die Organe schädigen bei längerer oder wiederholter Exposition
  • Sehr giftig für Wasserorganismen
  • Sehr giftig für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung

Weitere Informationen zur Schädlichkeit von Tri-allat liefert die Umweltschutzbehörde der Vereinigten Staaten (EPA). In den USA ist der Wirkstoff bereits seit 1961 zugelassen und damit 50 Jahre länger in Gebrauch als in der EU.2 Die EPA beurteilt die Neurotoxizität als wichtigste toxische Wirkung von Tri-allat.7 Andere Studien8 konnten ebenfalls neurotoxische Wirkungen an verschiedenen Säugetieren (u.a. Ratte, Maus, Hund, Kaninchen, Hamster) feststellen. Zu den Symptomen der Testtiere gehörten Zuckungen, Verhaltensänderungen, fehlende Muskelkoordination, gestörte Motorik, verminderte Reflexe und Rückenmarksveränderungen.

Tri-allat – neurotoxisch und möglicherweise krebserregend

Nicht nur das Nervensystem, auch andere Organe können durch eine Exposition mit Tri-allat Schaden nehmen. So wurde in Studien eine karzinogene (= krebserzeugende) Wirkung an Säugetieren beobachtet.8 Deswegen klassierte die EPA Tri-allat als «möglicherweise karzinogen für den Menschen».7 In den Studien8 an den Säugetieren zeigten Mäuse bei der Aufnahme von Tri-allat übers Futter Veränderungen an der Leber, dem Gehirn, der Hornhaut und dem Rückenmark. Dabei lag der NOAEL9 bei 12,4 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht täglich. Für einen Menschen von 70 kg Körpergewicht würde das bedeuten, dass eine Aufnahme von weniger als einem Gramm (0,87) pro Tag nicht überschritten werden darf, um gesundheitliche Schäden zu verhindern.

Die US-Umweltschutzbehörde (EPA) kam zum Schluss, dass Rückstände von Tri-allat im Trinkwasser angesichts seiner potenziell krebserregenden Wirkung ein konkretes Gesundheitsrisiko darstellen. Deswegen wurde in den USA ein Monitoringprogramm für Tri-allat und seine Abbauprodukte in Oberflächengewässern lanciert.7 In ähnlicher Weise haben die Niederlanden die Überwachung der Tri-allat Konzentrationen im Grundwasser vorgeschlagen.10

Für die Schweiz bedeutet das: Es wäre sinnvoller, wissenschaftliche Erkenntnisse und internationale Erfahrungen zu nutzen und Tri-allat gar nicht erst zuzulassen.

Tri-allat – Frankreich zieht die Reissleine

Von den Referenzländern der PaIv Bregy ist Tri-allat in Italien, Belgien und den Niederlanden zugelassen. In Deutschland und Österreich ist der Wirkstoff verboten. Frankreich hat erst vor kurzem (März 2025) die Zulassung aufgehoben.11 Grund für den Rückzug in Frankreich war die nachweisliche Gefährlichkeit von Tri-allat. Wie die Verkaufsmengen von Tri-allat in den letzten Jahren zeigen (siehe Abbildung 2), war der Verbrauch in Frankreich besonders hoch. Im Jahr 2023 erhöhte sich die Absatzmenge auf fast 300 Tonnen. Der Verkauf in Belgien ist mit rund 20 Tonnen pro Jahr relativ konstant. Eine kürzlich verordnete Notfallzulassung in Belgien zeigt, dass der Wirkstoff auch aktuell verwendet wird.12

Abbildung 3: Verkaufsmengen vom Wirkstoff Tri-allat für die Länder Frankreich und Belgien im Zeitraum 2019 bis 2023. Für Frankreich lagen keine Daten für das Jahr 2023 vor. Quellen: Ministères aménagement du territoire transition écologique (FR), fytoweb.be (BE)

Fazit

Das Beispiel von Tri-allat zeigt deutlich, wie gefährlich eine Umsetzung der PaIv Bregy sein kann. Einzelne Länder verbieten zwar einen Wirkstoff, weil dieser eine Gefährdung für Mensch und Natur darstellt (wie in dem Fall Frankreich). In anderen Ländern, die ebenfalls zu den Referenzländern der PaIv Bregy gehören, wird der Wirkstoff weiterhin verwendet, da er auf EU-Ebene nach wie vor zugelassen ist. Insofern besteht das Risiko, dass durch die PaIv Bregy auch in der Schweiz gesundheitsgefährdende Stoffe wie Tri-allat zugelassen werden, obwohl deren Risiken durch Studien belegt sind und dies in gewissen Ländern auch anerkannt wird. Sich pauschal auf Zulassungen einzelner Länder zu stützen, ohne eine eigenständige gesundheitliche Risikobewertung durchzuführen, ist nicht verantwortbar.

Ein effizienteres Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel ist grundsätzlich sinnvoll – doch die PaIv Bregy ist diesbezüglich nicht zielführend. Anstatt den Schutz der Bevölkerung zu priorisieren, werden unnötige Gesundheitsrisiken in Kauf genommen. Es ist daher unerlässlich, dass im Zulassungsverfahren aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Gesundheitsgefährdung durch Wirkstoffe systematisch berücksichtigt werden.

[Originalquelle: ohnegift.ch].

Unser Dank gilt dem Team von ohnegift, das uns freundlicherweise die Erlaubnis erteilt hat, ihren Artikel zu publizieren.

Quellen

[1] EU-Verordnung 528/2012, Artikel 14.

[2] Europäische Kommission: Wirkstoff: Tri-allte (abgerufen am 30.05.2025)

[3] Chemnitz, Wenz & Haffmans (2022): Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft.

[4] Eigene Berechnung mit Daten aus : European Commission: Search Active substances, safeners and synergists (abgerufen am 29.05.2025).

[5] University of Hertfordshire (2025) : Pesticide Properties DataBase. Tri-allate. (abgerufen am 30.05.2025)

[6] Wang (2000): Investigations on the behavior of the carbamate insecticide pirimicarb and the thiocarbamate herbicide triallate and their metabolites in soil (Untersuchungen zum Verhalten des Carbamat-Insektizids Pirimicarb und des Thiocarbamat-Herbizids Triallat und ihrer Metaboliten in Böden).

[7] United States Environmental Protection Agency (EPA) (2001) : R.E.D. FACTS. Triallate.

[8] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (2021): GESTIS-Stoffdatenbank. Triallat. (abgerufen am 30.05.2025)

[9] = No Observed Adverse Effect Level. Ist ein Grenzwert in der Toxikologie und beschreibt, bis zu welcher Dosis keine signifikanten schädlichen Wirkungen beobachtet werden. 

[10] van Loon et al. (2020) : Grondwaterkwaliteit Nederland 2020.

[11] ANSES E-Phy (2024) : AVADEX 480 GOWAN FRANCE

[12] Fytoweb (2025) : Produit à base de triallate temporairement autorisé contre les graminées annuelles, la folle avoine, le vulpin des champs et le ray-grass en culture de racines de witloof.

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